In wiefern geht ein Auto mit einem frugalen und nachhaltigen Leben konform? – Bescheißen wir uns selbst?
Gute Frage. Wir haben sie uns natürlich auch schon gestellt.
Letztlich würden sagen: Jain
Ein Auto ist einer der größten Kostenposten auf der monatlichen Ausgabenliste. Vermutlich bliebe mehr im Sackerl übrig wenn wir auf ein Auto verzichten würden – wobei ich das nicht mit Gewissheit sagen kann (Warum? – Dazu später mehr). Das heißt aber nicht, dass ein Auto einem frugalen Lebensstil und dem Wunsch nach Nachhaltigkeit entgegensteht. Das siehst du anders?
Aus dem Bauch heraus, hätten wir das auch anders gesehen. Aber wie du dir sicher schon denken kannst, ist es nicht so einfach. Denn für diese Abwägungen sind einige Umstände zu berücksichtigen und ein paar weitergreifende Überlegungen zu betrachten. Am Ende kamen wir zu der Erkenntnis, dass selbst ein Auto mit Verbrennungsmotor verhältnismäßig nachhaltig sein kann und einem frugalen Lebensstil nicht im Wege stehen muss.
Wie kam es dazu, dass wir uns ein Auto anschafften?
Dass wir uns ein Auto zulegen, war kein Plan, den wir für uns beschlossen, weil wir die Notwendigkeit sahen. Im Gegenteil, wir waren einige Jahre auch sehr zufrieden ohne Auto, denn wir fahren sehr gerne Rad und Bahn. Das hat sich auch bis heute nicht geändert, obwohl wir „Goldi“ schon seit 2015 besitzen. Dass wir uns ein Auto zulegten, war eher dem Zufall geschuldet, bzw. dem Lauf der Dinge.
Mein Großvater konnte irgendwann nicht mehr selber fahren und da stand der Wagen plötzlich im Raum, oder genauer gesagt, in seiner Garage. Die Werkstatt wollte nur noch 800€ dafür geben, aufgrund der Schrammen an beiden Seiten (Opa hatte in den letzten Jahren, wohl die ein oder andere Mauer tuschiert). Aber die waren uns völlig egal. Dagegen stand der sonstige Zustand des Autos:
Goldi kam 2002 auf die Welt und war bis 2015 gerade mal 63.000 km weit gerollt. Auf dem offenen Markt hätte ich vermutet, dass ein 14 Jahre altes Auto mit solch niedrigem Kilometerstand einen manipulierten Kilometerzähler hat. Da aber der Wagen aus erster Hand war, also ausschließlich meinen Großeltern gehörte, konnten wir sicher sein, dass das nicht so war. Der Wagen verließ die Garage jährlich nur zu einem Städteurlaub, für die Fahrten zur Apotheke sowie zum Bäcker und zur Inspektion. Letztere wurde regelmäßig von einer Fachwerkstatt durchgeführt und somit war Goldi in einem glänzenden Zustand.
Woher der Name Goldi kommt, könnt ihr euch ja nun sicher schon denken – vermutlich habt ihr ja auch das Titelbild gesehen.
Meine Großeltern hatten den Deal, dass „er“ sich das Auto aussuchen durfte, und „sie“ sich die Farbe. 🙂
Wie ihr wisst, sind wir eher die Rucksacktypen und haben daher keine goldene Handtasche. – Dafür aber einen goldigen fahrbaren Untersatz. 😉
Jetzt wird es also Zeit, euch Goldi auch mal vorzustellen…
Ladys and Gentleman, we proudly present: „Goldi“

Hier ein paar Eckdaten:
- Nissan Primera Fließheck
- Baujahr 2002
- Km: ca. 63.000
- top gepflegt aus erster Hand
- 116 Ps
- Automatik-Schaltung (allerdings nur 4-Gang)
- Zahnkette
- Garagenparkplatz
- Top Ausstattung:
- el. Fensterheber und Spiegel
- Nebelscheinwerfer
- Klimaanlage
- Sitzheizung
- Regensensor
- Rückfahrkamera
- Kratzer am Heck und auf beiden Seiten (gab’s kostenlos mit dazu 😉 )
Goldis Adoption
Trotz dieser, für das Baujahr ausgesprochen guten Ausstattung wollte niemand aus der Familie den Wagen übernehmen. Den Cousinen war er zu hässlich oder peinlich -keine Ahnung – und alle anderen hatten bereits einen fahrbaren Untersatz. Also stand der Händler im Raum oder eben wir.
Die direkten Erben wollten den Wagen verkaufen und das Geld teilen. Der Händler wollte, aufgrund der zahlreichen Schrammen, wie gesagt nur 800€ für den Wagen zahlen.
Als ich das hörte und mir die Eckdaten angeschaut hatte, war mir klar: ein Auto mit diesen Daten und mit einer derartigen Ausstattung ist eine einmalige Chance. Wann hat man mal die Sicherheit, den Fahrer gut zu kennen. Es ist ein riesen Vorteil zu wissen, dass das Fahrzeug vom einzigen Besitzer gut behandelt und gepflegt wurde, dass der Tacho stimmt und die Inspektionen regelmäßig durchgeführt wurden.
Also trafen wir die Entscheidung den Wagen für 800€ zu übernehmen – also quasi geschenkt – eigentlich ein NoBrainer.
Das alles war noch kurz vor der Zeit, als wir begannen uns für Finanzen und Co zu interessieren.
Ob wir dieselbe Entscheidung auch heute so gefällt hätten?
Die Antwort ist ja, aber wir hätten vermutlich länger darüber nachgedacht. Womit wir bei den oben gestellten Fragen wären.
Inwiefern lässt sich ein Auto mit einem frugalem und nachhaltigem Leben vereinbaren?
Tja, das hängt von verschiedenen Faktoren ab.
1. Die Ressourcen der Anschaffung
Wir kauften das Auto gebraucht, d.h. es war bereits produziert. Es werden also zumindest für die Herstellung keine Ressourcen mehr benötigt und ein Verschiffen des Autos findet aufgrund der Weiternutzung durch uns nicht statt. Die Faustregel, lieber ein Produkt weiternutzen , als ein Neues zu kaufen und damit die Produktion anzukurbeln, haben wir hier befolgt. Letztlich frisst das weniger Ressourcen und Energie, auch wenn das reine Betreiben des neuen Produkts etwas ressourcenschonender wäre.
Der Betrieb des Fahrzeugs
Der vermutlich relevantere Punkt in Sachen Ökologie ist aber die Nutzung des Autos. Wenn das Auto kaum gefahren wird, weil wir vorwiegend unsere Fahrräder und den ÖPNV nutzen, ist das in Sachen Emissionen besser, als wenn es andauernd gefahren würde. In sofern ist es sogar gut, dass wir diesen Spritfresser (ca. 8l/100km) fahren und Goldi nicht in die Hände von jemandem kam, der sie viel fährt. 😀 Klingt lustig, da ist aber tatsächlich was dran.
Mit etwa 3000 km pro Jahr sind wir wohl wirklich Wenigfahrer. Das hat aber nicht nur einen ökologischen Hintergrund. Zwar spielt der für uns schon eine erhebliche Rolle und macht es uns leichter den inneren Schweinehund für unbequemere Alternativen zu überwinden, aber es ist auch so, dass wir uns einfach nicht an die Bequemlichkeit gewöhnen wollen. Bei meinem ersten Auto habe ich das noch voll erlebt. Irgendwann siegte die Faulheit und jede noch so kleine Fahrt wurde mit dem Auto erledigt. Das soll aber nie wieder so werden. Und daran arbeiten wir.
Der Wohnort bedingt ein Auto
Im hinterletzten Kaff ist das sicher so. Aber sehr viele Fahrten lassen sich in den meisten Dörfern und vor allem Städten doch eigentlich vermeiden. Denn hier wären wir wieder bei der Bequemlichkeit und Gewohnheit.
Wir wollen unbedingt verhindern in diese Bequemlichkeitsspirale abzurutschen. Darum weisen wir uns auch direkt darauf hin, wenn der innere Schweinehund seine Macht ausüben will. Alles was in einem mit dem Rad gut erreichbaren Rahmen liegt, wird mit dem Rad gemacht. Ja auch die Fahrten zum Supermarkt oder zum Baumarkt, sofern nicht gerade ein Großeinkauf zum renovieren ansteht. In vier Fahrradtaschen plus zwei Körbe passt viel mehr als man meinen mag. Ein voller Einkaufswagen? – Passt!
Wofür also ein Auto?

Berechtigte Frage. Wir stellen sie uns auch immer mal wieder. Auch wenn das Tanken nicht ins Gewicht fällt, da es so selten vorkommt, spielen Versicherung, Reparaturen, TÜV etc. schon eine Rolle.
Auch wenn wir mit Rad und ÖFIS die meisten Ziele erreichen können, so gibt es doch Ziele die nicht oder nur sehr umständlich zu erreichen sind.
Sei es die Hochzeit in Hintertupfingen oder ein Ausflugsziel zum Wandern in der Wallachei. Oft spielt dann die Zeit eine große Rolle, da ohne Individualverkehr die Anbindung mancher Orte nur über Busse oder aufgrund der Fahrtrouten nur über immense Umwegspendelei erfolgen könnte. Hier loben wir uns unsere Goldi doch sehr.
Und leider ist es viel zu häufig der Fall, dass das Auto zu zweit den Preis mit der Bahn so deutlich unterschreitet, dass selbst der nachhaltig denkende Engel auf der linken, von dem sparsamen Engelchen auf der rechten Schulter vor den Zug gestoßen wird, anstatt hinein. 😞 Es ist eine Schande, dass der ÖPNV im Vergleich zum Individualverkehr oft deutlich teurer ist. Zug fahren müsste sich auch für mehr als eine Person immer lohnen.
Aber es gibt doch auch Alternativen zu Auto und ÖPNV
Wie geschrieben sind Supermarkteinkäufe, selbst in größeren Dimensionen, mit dem Fahrrad machbar. Für Umzüge kann theoretisch eine Auto- bzw Transportervermietung gute Dienste leisten. Schwieriger wird es mit spontanen Gebrauchtwarenkäufen. Unsere Möbel haben wir wie du weißt ja nahezu ausschließlich gebraucht gekauft. Bei solchen Beschaffungen muss es oft schnell gehen und die Kosten eines Miettransporters würden den Kaufpreis des Guts häufig übersteigen. Hier waren wir doch sehr glücklich Goldis treue Dienste in Anspruch nehmen zu können.
Klar Car-Sharing wäre ggf. eine Alternative. Aber das ist je nach Wohnort noch nicht/kaum vorhanden und umständlich. Hier hat man je nach Ort jedoch den Vorteil auf verschiedene Fahrzeugtypen zugreifen zu können. Vorausgesetzt das gewünschte Fahrzeug ist gerade verfügbar.
Je nach Wohnort ist die Situation aber noch sehr ausbaufähig und einfach noch zu unpraktisch. Teils sind die Station weit entfernt. Wenn man dann bei Regen erstmal mit dem Rad los muss, um das Auto zu holen, um es dann zu sich nach Hause zu fahren, um sein Zeug einzuladen und dann erst aufzubrechen kann, und danach das Auto nach der eigentlichen Fahrt erst wieder bei sich daheim vorbeifahren muss und es danach noch zu dem Abstellplatz bringen muss, um von dort wieder mit dem Rad heimzuradeln. Das ist dann doch sehr umständlich und zeitintensiv.
Manche der Sharing-Dienste sind auch nichts für weite Fahrten, da sie Kilometerbeschränkungen unterliegen oder dann sehr teuer werden. Und wenn man relativ spontan ein Auto braucht ist eine traditionelle Autovermietung oft auch schwierig.
Du siehst, es ist eine nicht ganz leichte Entscheidung bei der Lage der Dinge. Tja, und die Essenz unserer Überlegungen war eben die, dass die Vorteile Goldi zu behalten derzeit noch überwiegen und wir bereit sind die Kosten dafür zu tragen, obwohl sich die Nutzung auf sehr wenige Fahrten, die aber durchaus spontan erfolgen, beschränkt.
Wir hoffen dieser kleine Einblick in unsere Überlegungen hat dir gefallen und vielleicht hast du ja ähnliche Überlegungen auch schon gehabt oder eine Meinung dazu. Lass es uns doch bitte in den Kommentaren wissen.
Happy Investing
Dein InvestierPaar
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Hallo ihr beiden,
Es wäre noch interessant, wie hoch eure jährlichen Gesamtausgaben für Goldi sind.
Ich würde mir selber wahrscheinlich kein eigenes Auto zulegen, aber muss zugeben, dass ich bei meinem aktuellen Job einen Dienstwagen mit Privatnutzung habe. Jetzt bin ich gerade 5 Monate in Elternzeit ohne den Wagen und komme mit Deutschlandticket und Fahrrad super zurecht.
LG Jan
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